Bundeslade schmückt den Altar

Mindestens zweieinhalb Stunden dauern die Gottesdienste orthodoxer Christen aus Eritrea: Eine Herausforderung für die Göttinger Gemeinde in Corona-Zeiten.

„Ich kann nicht bereits nach einer Stunde fertig sein“, protestierte zu Beginn der Pandemie Priester Hailemelekot Kemer. „So sieht es aber unser Hygienekonzept vor“, erklärte ihm Jürgen Bömeke vom Leitungsteam der Kirchengemeinde Maria Frieden. Die Afrikaner dürfen das Gotteshaus seit 2015 nutzen. „Ich schaffe das auch in 60 Minuten“, teilte der ägyptische Bischof Anba Damian vom Kloster Brenkhausen bei Höxter dem Priester mit. Der Bischof hatte seinerzeit den Kontakt zwischen den Katholiken und den Eritreern hergestellt.

Die meisten der jungen Menschen kamen damals als unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge nach Südniedersachsen. Die ägyptischen Kopten und die eritreischen Orthodoxen gehören zur gleichen Kirchenfamilie.

Bömeke, der die Afrikaner seither auch in persönlichen Fragen betreut, fand einen Kompromiss. Nun beginnt am Samstagmorgen bereits um 8 Uhr einer der beiden Diakone im Keller mit dem Gottesdienst. Unterdessen gestaltet der Priester mit Helfern die Kirche nach altorientalischen Vorgaben um. Auf dem Altar wird ein mit Ikonen geschmückter Holzbaldachin aufgestellt. Die Christen hängen einen Vorhang auf, hinter dem ein Teil des Gottesdienstes – unsichtbar für die Gemeinde – stattfindet. Teppiche werden ausgerollt. Die Afrikaner ziehen vor Betreten der Kirche ihre Schuhe aus.

Um 9 Uhr trägt der Priester in einer feierlichen Prozession eine Nachbildung der Bundeslade ins Gotteshaus und stellt sie unter dem Baldachin auf. 45 Minuten hat er nun Zeit, gemeinsam mit zwei Diakonen weitere Teile der Liturgie in einem Sprechgesang vorzutragen. 15 Minuten lang wird gelüftet. Erst dann dürfen 30 Gläubige in die Kirche, um bis 11 Uhr das Ende des Gottesdienstes mitzuerleben.

Beschwerliche Fluchterlebnisse

Im Laufe der Wochen bekommen so alle 200 Gemeindemitglieder Gelegenheit zu kommen. „In der Kirche finden wir Ruhe“, erklärt Christin Yorda Dawit. Aufgrund schwieriger politischer Verhältnisse in Eritrea und der Angst, zu einem jahrelangen Militärdienst eingezogen zu werden, seien sie als Teenager geflohen. Auf dem Weg durch Äthiopien, Sudan und Libyen und dann auf Booten über das Mittelmeer hätten viele von ihnen „schlimme Dinge“ erlebt.

In Deutschland blieben die meisten ihrer Landsleute mit ihren Ängsten allein. „Während meiner Flucht durch die Sahara habe Gott um Hilfe angefleht“, ergänzt Berihu Bahre. Er sei seinem Herrn „unendlich dankbar“, dass er 2013 Deutschland lebend erreicht habe.

„Aufgrund unserer zurückhaltenden Art haben wir nur wenig Kontakt zu Deutschen“, erklärt Bahre. Entsprechend schlecht sind die Deutschkenntnisse. „Das erschwert euch die Suche nach einen Ausbildungsplatz“, warnt Bömeke unermüdlich. Dawit hatte dagegen 2015 das Glück, dass sie von einer deutschen Gastfamilie aufgenommen wurde. So schaffte sie den Hauptschulabschluss und lernte Pflegehelferin. Seit ihrem Examen arbeitet sie in einem Krankenhaus. 2018 erhielt sie eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung. „Den weniger Erfolgreichen droht die Abschiebung“, bedauert Bömeke.

mic / kpg